Klever Grafen

Klever Grafen werden zu Herren der Tomburg

Wie ein aus Flandern vertriebener Adeliger vom Kaiser mit Gütern in Kleve belehnt, als Bediensteter der Pfalzgrafenfamilie Karriere machte, eine Tochter von Ezzos Bruder heiratete und später als verdienstvoller Minister Ezzos vom König die Tomburg als Lehen erhielt. Wie Graf Rutger zum Stammvater der Klever Grafen wurde und sein Sohn sich von Tomburg nannte. Wie dies nur sehr wenige Urkunden und Schriften bezeugen und wie diese wenigen Nachrichten zu einer plausiblen Geschichte zusammen gefügt werden können.

Der Übergang der Tomburg von den Ezzonen zu den Klever Grafen ist im Nebel sagenhafter Zeiten verborgen. Überliefert ist, dass sich die Tomburg im 11. Jahrhundert im Besitz der Ezzonen befand. Im 13. Jahrhundert sind in Urkunden Herren von Tomburg genannt. Aus dem Zeitraum dazwischen sind nur wenige Urkunden überliefert, die in Einzelfällen auch noch gefälscht worden sind. Unbeantwortet ist nach wie vor die Frage, auf welchem Weg die Tomburg an die Klever Grafen gekommen ist. In der folgenden historischen Ermittlung nähern wir uns diesem ›cold case‹ der Geschichte.

Auf der Suche nach handelnden Personen und deren Ämter und Funktionen untersuchen wir Urkunden und Chroniken aus dieser Zeit. Hierbei ist prinzipiell Skepsis angebracht, weil mit einer passenden Urkunde Ansprüche und Rechte begründet und durchgesetzt werden konnten. Für die Suche nach den Akteuren allerdings sind inhaltliche Fälschungen zumeist weniger problematisch. Die Fälscher versuchten vielmehr die Glaubwürdigkeit ihrer ›Fake-Facts‹ gerade dadurch zu erhöhen, dass sie das Netzwerk beteiligter Akteure und Zeugen für den Zeitpunkt der verfälschten Urkunde nach bestem Wissen wiedergaben. Und je weniger Urkunden aus ferner Zeit erhalten sind, ergibt sich ein um so größerer Spielraum für Interpretationen. Angaben zu verwandschaftlichen Verhältnissen sind sehr selten, das Lebensalter der Akteure kann oft nur geschätzt, Familienstrukturen nur vermutet werden. Lücken im Gang der Dinge können manchmal nur durch mehr oder weniger wahrscheinliche Annahmen geschlossen werden.

Folgen Sie dieser historischen Ermittlung und finden heraus, mit welchem für Sie plausiblen Ergebnis die Akte »Klever Grafen auf der Tomburg« geschlossen werden kann.1)

Wie genau kam nun die Tomburg an die Klever Grafen?

  • Die Lücke in der Überlieferung:
    wir sind im 11. Jahrhundert und begegnen Zeitgenossen der Ottonen: als Ezzos Sohn Otto 1047, seit zwei Jahren Herzog von Schwaben auf der Tomburg starb, war die Pfalzgrafschaft bereits an die Familie von Ezzos Bruder Hezelin auf der Siegburg übergegangen. Mit dem Tod von Richeza 1063 endete die Dynastie der Ezzonen. 1096 tritt in einer Urkunde von Erzbischof Hermann III. ein Theoderich (Dietrich II.) erstmals als ›von Tomburg‹ auf.2)
    Ende des 13. Jahrhunderts nannten sich die Klever Grafen zweifelsfrei ›Herren von Tomburg‹, z.B. 1298 Dietrich Luf von Cleve als ›Herr von Hülchrath und von Tomburg›3). Interessant ist auch ein Titel von 1299 als ›Graf in Hülchrath und Herr von Tomburg‹4), denn es wird ein Unterschied gemacht zwischen den Titeln ›Graf‹ und ›Herr von‹. Merckens kommt zu dem Schluß, dass Tomberg keine Grafschaft war, auch wenn sich die Klever bisweilen so nannten. Es kann sich auch um einen »anhaftenden persönlichen Titel« handeln.5)
  • Ist die Tomburg um 1060 dem Erzbistum gestiftet worden?
    Wenn dem so ist – warum musste der Erzbischof 1323 die Tomburg von den Klever Grafen kaufen?
  • In den Urkunden erscheinen zwei Rutger als Advokaten6) der Ezzonen.
    Ist es ein und dieselbe Person oder sind es Vater und Sohn?
  • Ist Rutger I als Klever Graf im 11. Jh. vom Erzbistum mit der Tomburg belehnt worden?
    Oder erhielt er sie als verdienter Minister der Ezzonen vom König als Lehen?
  • War Graf Rutger v. Kleve seit 1024 mit Wazela verheiratet, mutmaßlich eine Tochter von Ezzos Bruder Hezelin?
    Ist die Tomburg in der Erbfolge über Wazela an Rutger von Kleve gegangen?

Gehen wir ca. 1.000 Jahre zurück und schauen wir, wie es gewesen sein könnte:
…um 1020 werden Rutger und sein Bruder Gerhard, zwei begüterte Adelige aus Flandern, von ihrem dortigen Dienstherrn ihrer Güter beraubt und vertrieben. Sie wenden sich sogleich an Kaiser Heinrich II. und bieten ihm ihre Dienste und ihr beträchtliches Fachwissen in Sachen Gutsverwaltung an. Der Kaiser belehnt daraufhin Gerhard in Wassenberg und Rutger in Kleve reichlich mit Ländereien, um ein bestehendes lokales Machtvakuum mit verlässlichen Vertretern zu füllen. Die Tomburg gehört zunächst nicht dazu, aber für die Tomburg wird Rutger, nennen wir ihn Rutger I., von großer Bedeutung werden. Er macht als Advokat Karriere bei Ezzos Sohn, Erzbischof Hermann II., erscheint als Vogt des Hausklosters Brauweiler und auch als Minister bei Ezzo selbst. Zudem heiratet er in die Familie ein, denn um 1024 kommt es zur Ehe von Rutger mit Wazela, einer Tochter von Ezzos Bruder Hezelin. Beide bekommen einen Sohn, der nach seinem Vater ebenfalls auf den Namen Rutger getauft wird, nennen wir ihn Rutger II. Er bleibt im Dienst der Ezzonen und tritt als Advokat von Ezzos Tochter Richeza auf. Rutger II. wird im Memorienbuch von St. Maria ad gradus als ›comes de toneburch‹ benannt. 1034 stirbt Ezzo. Ezzos Sohn Otto erbt die Tomburg und tritt die Nachfolge als Pfalzgraf an. 1045 wird er von Otto III. zum Herzog von Schwaben ernannt und die Pfalzgrafschaft geht an die Hezelinen auf der Siegburg über. Bereits zwei Jahre später stirbt Otto auf dem Familiensitz Tomburg. Ezzos Sohn Hermann, als Erzbischof Hermann II. in Köln, und seine Schwestern Richeza und Theophanu beginnen nun familiäre Güter und Orte mit Hörigen und Rechten dadurch zu sichern, dass sie sie dem Erzbistum oder dem Hauskloster Brauweiler als Ausstattungsstiftungen überschreiben. 1056 stirbt Hermann. Sein Nachfolger, Erzbischof Anno, erweist sich als Feind der Ezzonen. Für Hermanns Schwestern beginnt eine langjährige Auseinandersetzung mit Anno um Güter und Rechte.
Die zum ehemaligen Königshof gehörenden Waldgebiete rund um Flamersheim mit der Tomburg hat Hermann schon vor seinem Tod geteilt: die westliche Hälfte geht als Stiftung an das Stift Mariengraden, die östliche Hälfte mit der Tomburg an – ja an wen? Die Zugehörigkeit zum Königshof zeichnet die Tomburg als Reichsburg aus, die nach dem Aussterben der Ezzonen an das Reich zurück fällt. Deshalb kann Hermann diesen Teil nicht abgeben. Mit Rutger II. steht ein seit Jahrzehnten erfahrener und loyaler Mann bereit, der sich – wie schon sein Vater zuvor – in Ezzos Diensten bewährt hat. An ihn geht die Tomburg als Reichslehen über. Dies kann übrigens durchaus noch zu Amtszeiten Hermanns II. erfolgt sein. Denn dieser hätte die Tomburg nicht als Stiftung abgeben können, weil sie sich bereits in der Hand von Rutger II als Burgherr befand. Rutger I und Wazela gelten damit heute als Stammvater und -mutter der in den folgenden Jahrhunderten mächtig gewordenen Grafen von Kleve.

Faktencheck

Kann diese Darstellung der Ereignisse durch Indizien und Beweise in Urkunden und Schriften gestützt werden?
Der geschilderte Gang der Ereignisse und einige Annahmen sollen nun einem Faktencheck unterzogen werden.
Untersucht werden folgende Aspekte:

  • Die Herkunft von Rutger und seine Dienste für Kaiser Heinrich II.
  • Sind die genannten Rutger wirklich zwei verschiedene Personen?
  • War Rutger I. mit Wazela verheiratet, der Tochter von Ezzos Bruder Hezelin?
  • Ist Rutger II. Sohn oder Enkel von Rutger I. und Wazela?
  • Ging die Tomburg als Reichsburg direkt an die Klever Grafen?

Zur Herkunft von Rutger und seine Dienste für Kaiser Heinrich II.

Scan der ersten Seite der Handschrift „Annales Rodenses“ / Klosterrather Annalen. Gerardus und Rutgerus stehen in der zweiten Zeile
(LinkExt Regionaal Historisch Centrum Limburg (RHCL): Annales Rodenses, kroniek van de abdij Kloosterrade over de jaren 1104-1157).

»Es lebten in der Grafschaft Flandern zwei Adlige, leibliche Brüder, im weltlichen Leben sehr berühmt und mächtig. Der eine von ihnen hieß Gerardus, der andere Rutgerus. Sie waren unstreitig unerschütterliche Hüter ihres väterlichen Gutes und der öffentlichen Verwaltung. Weil sehr schwere Anfeindungen aus führenden Kreisen des dortigen Landes gegen sie entstanden waren, begaben sie sich in den Schutz des Römischen Kaisers. Dieser setzte Gerardus in Wasenberch und Rutgerus in Clive ein. Da beiden soviel Land zu Lehen übertragen worden war, wurden sie selbst und ihre Nachkommen aufgrund ihres reichen Besitzes zu den führenden Leuten dieses Gebietes.«7)

Der Stil dieses Textes erinnert an ein Märchen, ist aber durchaus ernst zu nehmen. Er stammt aus der Einleitung der Klosterrather Jahrbücher (Annales Rodenses), einer Chronik der Abtei Rolduc (dt. Klosterrath) 8). Die Annalen sind eine wichtige Quelle für die Datierung von Ereignissen im 12. Jahrhundert; viele Orte und Personen werden hier erstmalig erwähnt. Um 11609) beginnt der unbekannte Chronist die Ereignisse aus den Jahren 1104 bis 1157 in einer nüchternen und sachlichen Sprache niederzuschreiben. In der Vorgeschichte bis zum Jahr 1104  schildert er Herkunft und Werdegang des Klostergründers Ailbertus von Antoing, einer Stadt im heutigen Belgien an der Grenze zu Frankreich. Ailbertus war der Sohn von Ammericus »aus deren Adelsgeschlecht, das in ihrem Geburtsland geblieben war« 10) Gemeint ist damit der Teil der Familie von Rutger und Gerhard, der nach deren Emigration in Flandern bleiben konnte.

Seite 11 der Handschrift „Annales Rodenses“ / Klosterrather Annalen mit den Angaben zu Herkunft und Lebenszeit von Gerardus und Rutger
(LinkExt Regionaal Historisch Centrum Limburg (RHCL): Annales Rodenses, kroniek van de abdij Kloosterrade over de jaren 1104-1157).

Lässt sich der Exodus der Brüder datieren?
Und woraus ergibt sich die Verbindung von diesem Rutger zu dem Stammhaus der Klever Grafen?
Der Chronist gibt im weiteren Verlauf der Einleitung erste Hinweise, denn »die Priester [Ailbertus] und seine Brüder [waren] von Geschlecht Blutsverwandte des Grafen Gerardus von Gelren (wahrscheinlich Geldern), des Goswin von Hemesberch (Heinsberg, südw. von Mönchengladbach), des Grafen Heinrich von Krikenbach (wahrscheinlich Krickenbeck südlich von Geldern, bei Nettetal) und des Grafen Theodericus von Clyve (Kleve), die zugleich auch mit diesen in dieser Zeit gelebt haben, wie feststeht. Diese waren nämlich die Urenkel der zwei Brüder aus Flandern, womit diese Darstellung begonnen hat, aus deren selben Geschlecht erwiesenermaßen unsere drei Brüder [Ailbertus, Thyemo und Walgerus] hervorgegangen sind.11) Der Chronist ist sich sicher: Ailbertus war ein Zeitgenosse der genannten Grafen und in der Generationenfolge Urenkel von Rutger. Als Priester beginnt Ailbertus 1104 die Gründung der Abtei Klosterrath auf der grünen Wiese.  Die Priesterausbildung begann er ca. 1100, da diese nach ca. drei Jahren mit der Priesterweihe endete. Und weil ein Priesteramtskandidat in der Regel mit 20 Jahren als Kanoniker die Ausbildung begann, geht der Chronistn davon aus, daß Ailbertus ca. 1080 geboren wurde. 12) Rutger lebte also drei Generationen vor Ailbertus.

Tatsächlich geht die neuere Forschung davon aus, dass Heinrich II. um 1020 beide Brüder mit Gütern ausgestattet hat. Diese Datierung geht zurück auf ein Machtvakuum, das dadurch entstand, dass zwei verfeindete Grafen verstarben (1016 Graf Wichmann, 1021 Graf Balderich),13) und Heinrich die Besitzverhältnisse neu ordnen musste. Die wichtigsten Lehen gingen an Gerhard (Wassenberg) und Rutger (Kleve). Deshalb »hat der Ad­li­ge Rut­ger, der nach sei­ner Ver­trei­bung aus Flan­dern ge­mein­sam mit sei­nem Bru­der Ger­hard in den Dienst des Kai­sers ge­tre­ten war, als Stamm­va­ter der Gra­fen von Kle­ve zu gel­ten. (…) Ver­mut­lich wa­ren die Brü­der um 1020 mit der Ver­wal­tung von Reichs­fors­ten am Nie­der­rhein be­auf­tragt wor­den. (…) Ei­ne wich­ti­ge Be­sit­zung im Sü­den war die Tom­burg (heu­te Stadt Rhein­bach), nach der die Gra­fen sich bis 1134 eben­falls nann­ten.«14)

Fazit: Bei angenommenen 20-40 Jahren pro Generation wäre Rutger 960-1020 geboren, das heißt die grobe Zeitstellung könnte zu Ezzo und Heinrich II. passen. Die Zeitstellung passt zum Kontext der Ezzonen um 1000, die Belehnung der beiden Brüdern ist ›aktenkundig‹.

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Sind die genannten Rutger zwei verschiedene Personen?

Es ist keine geringere als Ezzos Tochter Richeza, die ein entscheidendes Indiz für die hier vorgestellte Theorie liefert, daß es sich bei den beiden Rutger um verschiedene Personen aus einer älteren und einer jüngeren Generation handelt. Am 7. September 1054 beurkundet sie Schenkungen mehrerer Besitztümer und Einkünfte an das Kloster Brauweiler.15) In der Liste der übertragenen Güter erklärt sie deren Herkunft: »Misteleberge [Wisplinghoff kann es nicht identifizieren], quae Ruotgerus advocatus minister patris mei pro anima sua dedit (…).« Demnach war der Advokat Rutger Minister ihres Vaters Ezzo. Als Zeuge tritt ein weiterer Rutger auf »Heinrico comite palatino, Ruotgero advocato, Gerhardo comite (…).16).

Es ist einleuchtend, dass Richeza mit dieser genaueren Beschreibung klar stellen wollte, dass der im Text genannte Vogt Rutger als Minister Ezzos ein anderer ist, als der Zeuge Rutger. Minister Rutger (nennen wir ihn Rutger I.), der auch Vogt der Abtei Brauweiler war, starb spätestens 1051, denn ab 1951 hatte sein Nachfolger Graf Sikko das Amt als sein Nachfolger inne. Daher kann vermutet werden, dass Rutger I. zu diesem Zeitpunkt nicht mehr lebte. 17). Der jüngere Rutger (nennen wir ihn Rutger II.) kann ein Sohn oder Enkel des älteren sein. Solange keine neue Quelle entdeckt wird, lässt sich das nicht zweifelsfrei klären. Stand der Forschung ist, das beide Annahmen gleich wahrscheinlich sind; meine favorisierte Variante ist ein Vater-Sohn-Verhältnis. 18)

Bereits 1051 finden sich frühe Nennungen von Rutger II. In der Amtszeit von Ezzos Sohn Hermann als Erzbischof Hermann II. 1036-1056 stand er in seinem Dienst als Advokat. Am 17. Juli 1051 beurkundet Kaiser Heinrich III. die erneute Übertragung des Klosters Brauweiler an das Erzbistum Köln. Erzbischof Hermann erscheint zu dem Termin mit seinem Advokaten Rutger; mit Fälschungen ist zu rechnen. 19)

Im Memorienbuch20) des Kollegiatstiftes Maria ad gradus „Maria zu den Stufen“ (Mariengraden) in Köln ist verzeichnet: »Maii .VI. Nonas21). Translatio ss. Thebeorum. O. Rukerus comes de Toneburch. qui dedit .VII. solidos presentibus in Rinkasle.«22) Und weil Papst Nikolaus II. die Gründung des Stiftes in einer Urkunde von 1059 bestätigt23), ist die Existenz Rutgers II. mit klarem Ortsbezug zur Tomburg für die Zeit nach ca. 1060 belegt, was gut in den zeitlichen Ablauf hinein passt. Weniger gut passt der Grafentitel ›comes‹, denn für eine Grafschaft Tomburg waren die Besitzungen zu klein. Es kann sich auch um einen persönlichen Titel gehandelt haben oder die Bezeichnung ist zum Zeitpunkt der Niederschrift des Memorienbuches hinein gelangt. 24) Folglich war Rutger II. zwar ›Burgherr‹, aber nicht ›Graf‹ einer Grafschaft.

Rutger II. war auch als Advokat im Dienst von Hermanns Nachfolger Erzbischof Anno, denn 1061 bezeugt er als »unser Advokat« eine Verpfändung25)

Fazit: es gab zwei Rutger, sehr wahrscheinlich in einem verwandtschaftlichen Verhältnis und in Diensten der Ezzonen stehend, Rutger II. als Herr der Tomburg.

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War Rutger I. mit Wazela verheiratet, der Tochter von Ezzos Bruder Hezelin?

In einer von Richeza ausgestellten Stiftungsurkunde vom 7. September 1054 findet sich ein Hinweis auf verwandtschaftliche Beziehungen: »(…) ad Haperscozze [Happerschoß], quae uxor eius  Wazela addidit (…).«26). Der Herkunftsnachweis beurkundet die Übertragung von Gütern bei Happerschoß, die seine Frau Wazela hinzugefügt hat. Rutger I. war also verheiratet mit Wazela.

Während Wazela in den 1940er Jahren noch als Tochter Ezzos angesehen wurde: »(…), die vielleicht auch nur als natürliche Tochter zur pfalzgräflichen Familie gehörte (…)«27), gilt sie heute als eine Tochter von Ezzos Bruder Hezelin.
Indizien für diese Annahme sind:

  • Als Tochter von Ezzo und Mathilde wäre sie während deren Ehe 991-1025 geboren und dann um 1080 in der ›Fundatio‹, dem Bericht über die Ezzonen als Gründer des Klosters Brauweiler erwähnt worden;28)
  • eine Urkunde für St. Peter in Dietkirchen (Bonn):29)
    ein ›unschuldiger Diener Gottes‹ (»indiguus dei famulus«) names Sicco beurkundet die Übergabe seiner Dienerin ›namens Wacela Hizzos Tochter‹ (»Wacela nominem Hizzonis filiam«) als ›Wachszinsige‹30) an das Kloster St. Peter in Dietkirchen in Bonn. Mit der Verkleinerungsform ›Hizzo‹ ist Hezelin gemeint und Wazela damit als eine Tochter von Ezzos Bruder zugeordnet. Bezeugt wird dieser Vorgang durch Ezzo und sein Gefolge, darunter übrigens auch ein Rutger, hier Rutger I. Die Urkunde trägt kein Datum, muss aber ausgestellt sein »zwischen der Kaiserkrönung Heinrichs II. und dem Tod Heriberts [Erzbischof] von Köln«31), also zwischen dem 14.02.1014 und dem 16.03.1021.
    Dieser Zeitrahmen passt gut zu dem angenommenen Datum in einem Zeitraum bis 1024, in dem Rutger I. in die Ezzonenfamilie einheiratete.32);
  • ›Wazela› und ›Ezzo‹ werden als Verkleinerungsformen, also als eine Art Kosenamen angesehen. ›Ehrenfried‹ wurde so zu  ›Ezzo‹ und analog dazu entstand sehr wahrscheinlich mit Bezug zu ›Hezelin‹ als weibliche Form für seine Tochter ›Wazela‹.
    Vor dem Hintergrund der anderen Indizien erscheint mir Wazela als Tochter von Hezelin äußerst plausibel. 33)

Fazit: Rutger I. war verheiratet mit einer Wazela, sehr wahrscheinlich eine Tochter von Ezzos Bruder Hezelin.

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Ist Rutger II. Sohn oder Enkel von Rutger I. und Wazela ?

Die Frage der Generationenfolge ist äußerst kompliziert und schwer zu beantworten. Es gibt keinen direkten Hinweis auf die verwandtschaftlichen Beziehungen in einer Urkunde. Als Indizien können herangezogen werden: Namensnennungen in Urkunden, geschätzte Geburtsdaten und geschätzte Lebensalter.

Nach Rutger taucht als Zeuge in Urkunden der Name Dietrich auf, wobei die Reihenfolge der Namensnennung etwas aussagt über die Bedeutung und den Status der Personen:

  • 1047 wird Dietrich an zweiter Stelle hinter Pfalzgraf Heinrich genannt, gfolgt von Christian, Vogt der Kölner Kirche, Graf Gerhard u.a.34);
  • 1079-1089 erscheinen in einer langen Zeugenreihe einer Schenkung als  weltliche Zeugen zwei Dietrich (Thiederich)35).
  • Bei einer weiteren Schenkung bezeugt ein Graf Dietrich (›Tiederich comes‹)

Als Bindeglied zwischen den Indizien nimmt Merckens nun folgendes an: »Die bisherigen Feststellungen über die Freundschaft des Pfalzgrafen mit den Clever Grafen machen es höchstwahrscheinlich, daß es sich bei dem als Zeuge folgenden Graf Dietrich um einen Grafen von Cleve handelt. Dieser Schluß liegt um so näher, als man keinen Graf von Cleve dieses Namens für diese Zeit zu erfinden braucht, sondern ihn als den zur Zeit Heinrichs III. lebenden Grafen Dietrich zur Verfügung hat.«36)

Und er schließt aus der Reihenfolge auf das Alter mit dem Ergebnis, dass es einen jüngeren und älteren, weiter hinten genannten Dietrich gegeben hat. Zusammen mit den Namensnennungen in Urkunden schiebt er Dietrich I. zwischen Rutger I. und II.
Aber diese Reihenfolge hat nichts zu tun mit den Vater-Sohn/-Enkel-Beziehungen. Denn die Reihenfolge ›Rutger I. – Dietrich I. – Rutger II. – Dietrich II.‹ ist das »(…) zeitliche Vorkommen der Clever Grafen mit den Namen Dietrich und Rütger im 11. Jahrhundert (…)«37), und nur das. Dennoch hält er auch eine Generationenfolge für möglich: »Aus dieser Stammfolge ist nichts zu ersehen, was der Abstammung im Mannesstamm widerspräche.«38)

Also ein entschiedenes ›sowohl als auch‹?
Für mich ist die Interpretation beider Rutgers als Vater und Sohn wahrscheinlicher, weil das Phänomen der sog. ›Leitnamen‹ in Abstammungslinien eine Rolle spielt. Ein Wechsel von Rutger I. und II. zu einer ganzen Reihe mit Namen Dietrich erscheint mir plausibler.
Bis zur Entdeckung einer Urkunde mit Angaben zu verwandschaftlichen Verhältnissen werden wir es nicht herausbekommen; es bleibt ein Rätsel.

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Ging die Tomburg als Reichsburg direkt an die Klever Grafen?

Um die Frage zu beantworten, auf welchem Weg die Tomburg an die Klever Grafen gekommen ist, so dass sich diese ›von Tomburg‹ nannten, sind in der Literatur verschiedenste Erklärungsversuche unternommen worden: die Klever haben sie gekauft, sind vom Erzbischof belehnt worden oder haben die Tomburg über Wazela geerbt. Und wieder andere haben in Zweifel gezogen, dass Rutger II. überhaupt zum Burgherrn aufsteigen konnte, weil ihm der Status als Freier Mann fehlte. In diesem Fall spielt tatsächlich die inhaltliche Fälschung einer Urkunde eine wesentliche Rolle. Schauen wir genauer hin.39)

Der Flamersheimer Wald gehörte als Zubehör zur Tomburg, beide in unmittelbarer Nähe zum Königshof Flamersheim. Auch kleinteilige Fragmente von alten Nutzungsrechten blieben noch sehr lange bei der Tomburg. Schon 870 berichtet Regino von Prüm, Geschichtsschreiber und siebter Abt der Abtei Prüm, von der ›regia villa Flameresheim‹ in Ripuarien. Ein Königsgut, die Aachen-Frankfurter-Königsstraße und eine königliche Waldverfassung liegen in räumlicher Nähe zueinander. Und in Verbindung mit der Entwicklung, dass im 9. Jahrhundert in der Nähe von Königshöfen Herrenburgen in Schutzlage errichtet wurden, zeichnen sich Rahmenbedingungen ab, unter denen die Tomburg als Königs- bzw. Reichsburg entstanden sein kann. Ob die Normanneneinfälle 882 in Bonn und Prüm das auslösende Moment waren, muss allerdings offen bleiben.40)

›Rukerus comes de Toneburch‹ erscheint Mitte des 11. Jh.  im Memorienbuch des Stiftes Mariengraden zu Köln (s.o.). Rutger kann die Verwaltung der Tomburg frühestens ab 1047 übernommen haben, dem Jahr, in dem Ezzos Sohn Otto, seit 1045 Herzog von Schwaben, auf der Tomburg gestorben war. Das Amt der Pfalzgrafschaft ging an Hezelin auf die Siegburg.
Aber wie lief das genau ab?

Nach einer sehr verbreiteten Version der Geschichte hat Ezzos Sohn Hermann in seiner Rolle als Erzbischof von Köln die Tomburg dem Bistum gestiftet. Danach sei die Tomburg als Lehen an die Klever Grafen gekommen.
Woher stammt diese Information? Und ist den Quellen zu trauen? Schauen wir genauer hin.

Belege für eine Stiftung der Tomburg an das Erzbistum finden sich nur in zwei Urkunden:

  • am 7. Mai 1052 bestätigt Papst Leo IX. der Kölnischen Kirche, vertreten durch Erzbischof Hermann II., diverse Privilegien und Rechte, darunter »im Besonderen die Abtei Brauweiler und das Schloß Tomberg, welche der Erzbischof selbst seiner Kirche geschenkt«, im Original: »uidelicet monasterium Brauwellare. et castrum Zoneburg cum omnibus suis pertinentiis.«, also Tomburg mit all seinem Zubehör. 41) und
  • 1259 behauptet Konrad von Hochstaden »eine Lehnshoheit Kölns gegenüber Kleve bezüglich der Tomburg«.42)
    Wenn man allerdings bedenkt, dass bereits am 28. Juli 1303, also nur 44 Jahre später, der Kölner Erzbischof die Tomburg kauft, sind Zweifel an dieser Aussage angebracht. »Dietrich Luf v. Cleve (…) verkaufen dem Erzbischof W. v. Cöln (…), die Schlösser Tomberg und (…), auf Wiederkauf binnen sechs Jahren.« Die Option ›Wiederkauf‹ macht aus dem Verkauf faktisch eine Verpfändung.43) 1323 erfolgte der endgültige Verkauf an den Kölner Erzbischof.44)
    Aber warum sollte sich das Erzbistum um einen Ankauf bemühen, wenn sich doch die Tomburg bereits in seiner Hand befunden haben soll? Vor dem 14. Jahrhundert haben die Klever von der Tomburg aus überaus selbständig und unabhängig gehandelt. Ein Beispiel dafür ist auch die Vergabe der Tomburg als Lehen an die Familie Müllenark 1230 und erneuert 1253.
    Alles in allem entstehen bereits hier Zweifel an der Aussage von Konrad von Hochstaden.

In der Urkunde von Pabst Leo vom 7. Mai 1052 muss der entscheidende Passus genauer betrachtet werden:
»›Praeterea corroboramus (=der Papst) ecclesiae (von Köln) praedia quae ipse (=Erzbischof Hermann) dedisti. uidelicet monasterium Brauwellare. et castrum nomine Zoneburg cum omnibus suis pertinentiis.‹« Das heißt:
›Wir bestätigen der (Kölner) Kirche Besitzungen, die du selbst (Hermann) gegeben hast, nämlich das monasterium Brauwellare (Brauweiler) und das castrum mit Namen Zoneburg.‹«
45).

Folgende Indizien erschüttern die Glaubwürdigkeit der Urkunde und schüren Zweifel an ihrer Echtheit:

  • Das Original der Urkunde ist verloren; in den noch erhaltenen Kölner Kopialbüchern ist keine Abschrift enthalten.46)
  • Die Urkunde wurde im 17. Jahrhundert durch Gelenius47) überliefert, der »wegen seiner Fälschungen berüchtigt« ist.48)
  • In einer weiteren Urkunde vom 8. Januar 1151 bestätigt Papst Eugen III. dem Kölner Erzbischof Arnold II. zwar Besitzungen, Privilegien und Würden der Kölnischen Kirche im Allgemeinen. Die Tomburg findet sich jedoch nicht wieder. 49)
  • Der Name ›Zoneburg‹ ist unüblich für das 11. Jahrhundert und kommt auch sonst nicht vor. Üblich ist z.B. ›Tonaburg‹.
  • Es gibt aber auch inhaltliche Fehler, die aufmerken lassen:
    • Nach der Urkunde vom 7. Mai 1052 soll es alleine Hermann gewesen sein, der Kloster und Tomburg der Kölner Kirche gestiftet haben soll. Für das Kloster Brauweiler ist jedoch belegt, dass Hermann gemeinsam mit seinen Schwestern Richeza und Theophanu die Schenkung 1051 durchgeführt hat.
    • Seltsamerweise beurkundet Papst Leo IX am selben Tag der hier kritisierten Urkunde, daß er die Abtei »von allen sonstigen Gewalten« befreit. Darin bezieht er sich auf die Schenkungsurkunde von Hermann und seinen Schwestern.
      Der Papst wusste also, »daß es nicht Hermann alleine, sondern dieser im Verein mit seinen Geschwistern gewesen ist, der Brauweiler der Kölner Kirche unterstellt hat. Schwerlich konnte er also am gleichen Tag die obige abweichende Behauptung beurkunden. Wir halten den zitierten Passus folglich für falsch.50) Es spricht also vieles für einen nachträglichen Einschub eines Fälschers.

Daraus, dass die Tomburg im 11. Jahrhundert bis 1323 nicht zum Erzbistum Köln gehörte. Die Tomburg ist also auf anderem Weg an Rutger I. gekommen. Man muss hierzu auch keine Erbbeziehungen bemühen. Deutlich plausibler erscheint folgender Ablauf:
nach dem Aussterben der Ezzonen und dem Übergang des Amtes der Pfalzgrafschaft auf die Siegburg 1047, fiel die Tomburg als Reichsburg an das Reich zurück. Der König stand nun vor der Frage, an wen er sie erneut geben könnte. Denn ihre Eigenschaft als befestigter strategisch wichtiger Standort in der Region hatte sie weiterhin. Was liegt dann näher, als die Burg neu als Lehen zu vergeben, »und zwar an (inzwischen) im Lande selbst ansässige Leute aus der Umgebung der Ezzonen«?51) Bei diesem Anforderungsprofil stand Rutger I. in der ersten Reihe, denn er hatte sich als Bediensteter Ezzos über viele Jahre als beständig loyal erwiesen und verfügte über eine hohe Kompetenz in Sachen Gutsverwaltung. Damit hätte Rutger noch zu Lebzeiten Hermanns II. die Tomburg übernommen haben können.

In diesen Ablauf passt auch eine Teilung des zur Tomburg gehörenden Waldes, denn Hermann II. hat vor seiner Stiftung von Flamersheim an das Stift Mariengraden »nicht den gesamten (…) Wald mit verschenkte, sondern nur die westliche Hälfte, während die östliche bei der Tomburg verblieb (…).«52) Diese östlichen Waldanteile könnten bereits unter der Verwaltung von Rutger gestanden haben, so dass Hermann nicht den gesamten Wald stiften konnte.

Leider existiert keine Stiftungsurkunde, so dass indirekte Hinweise gelesen werden müssen. Erzbischof Anno, Nachfolger von Hermann II. und ausgewiesener Feind der Ezzonen, beurkundet 1075, er habe 1057 das Stift an St. Maria ad Gradus an der Ostseite des Kölner Domes »in Erfüllung der Absicht Erzbischof Hermanns II. gegründet.«53) Aus derselben Urkunde geht hervor, dass der überwiegende Besitz des Stiftes aus ezzonischem Gut stammt. An der Rolle Annos als Bauherr sind allerdings Zweifel angebracht. Wahrscheinlicher ist, dass er versucht hat, die Bedeutung Hermanns herunter zu spielen. Denn Hermann starb im Februar 1056; Anno folgte einen Monat später als Erzbischof. Der Kirchenbau müsste aber bereits 1062 vollendet gewesen sein, weil in diesem Jahr »Erz­bi­schof An­no II. die Ge­bei­ne ei­nes als Abt und Mär­ty­rer ver­ehr­ten hei­li­gen Agi­lolf nach Köln über­füh­ren und in der Kir­che Sankt Ma­ria ad Gra­dus (Ma­ri­en­gra­den) bei­set­zen« ließ.54) Dies wäre eine rekordverdächtige Bauzeit von nur fünf Jahren. Angesichts der Bauausführung ist dies nahezu unmöglich, denn es handelt sich um »eine doppelchörige Anlage von etwa 55 m Länge und 11 m Mittelschiffbreite auf einem schwierigen, zum Fluß [Rhein] abfallenden Gelände, das Substruktionen [Unterbauten] erforderte (…). Für einen derartigen Bau muß von einer Bauzeit von mindestens 10-15 Jahren ausgegangen werden. Damit kann weder die Ausführung noch die Konzeption der Stiftskirche Anno zugeschrieben werden. Vielmehr muß sie unter Hermann begonnen und weitgehend ausgeführt worden sein, aus dessen Besitz das Gründungsgut genommen und der Bau finanziert worden ist.55)

Zu einem Baubeginn in früheren Jahren passt die Ermächtigung von Hermann durch Papst Leo IX. im Jahr 1052, »nach dem Vorbild St. Peters in Rom sieben Kardinalspriester in der Domkirche einzusetzen, wodurch die Kölner Basilika auf die gleiche Stufe wie das römische [Vorbild St. Peters in Rom] gestellt wurde.«56) Damit verbunden war auch das Krönungsrecht. Sofern die Krönung in seinem Erzbistum stattfand, war damit Köln neben Aachen als weiterer Krönungsort etabliert und Hermann setzte dies auch in der Anlage und Architektur in besonderer Weise um. Mariengraden wurde auf der Ostseite des Domes errichtet, von der aus sich eine repräsentative Treppenanlage zum Rhein hinunter zog, die »eine zentrale Rolle bei dem Krönungsritus gehörenden Einzug des Königs in den Kölner Dom« spielte.»Insgesamt ist spätestens in der Absprache zu diesem Privileg [von 1052] der Anstoß für den Baubeginn zu sehen.57) Es ist auch denkbar, dass Herrmann den Bau bereits ein paar Jahre zuvor begonnen hat, um seinen Anspruch auf das Krönungsrecht durch Errichtung der entsprechenden Anlage zu untermauern.

Rechnet man nun von der Fertigstellung 1062 10-15 Jahre zurück, wurde mit dem Bau in den Jahren 1047-1052 begonnen, also genau in dem Jahr des päpstlichen Privilegs oder einige Jahre vorher. Ebenfalls in diesem Zeitraum liegt die Übernahme der Tomburg durch Rutger I. und danach die Ausstattung von Mariengraden mit dem Westteil des Flamersheimer Waldes.

Weil neben den Tomburgern auch der Abt von Heisterbach als Herr von Neukirchen z.B. verpflichtet war, einen Förster zu stellen, zeigt sich, dass die ursprünglichen zur Tomburg gehörenden Waldflächen unter insgesamt drei Parteien geteilt wurden. Der Waldanteil, der der Tomburg erhalten blieb, lässt sich als ›Tomburger Herrenwald‹ bis ins 16. Jahrhundert nachweisen: insg. ca. 2.000 Morgen58) Tomberger Wald an der Tomburg, im Eckersgrund, zwischen Neukirchen und Winterburg, in der Gegend vom Scheuren und Scheuerheck, bei Todenfeld und Hilberath.59)
Die »östliche Hälfte des vormals königlichen Flamersheimer Waldes kam also – abgesehen von heisterbachischen Waldbesitz – in ungebrochener Linie von den Ezzonen an die Klever und dann als Bestandteil des Tomburger Lehens von diesen an die Herren von Tomburg«, ab 1230 Hermann von Müllenark60)

Mit der Teilung des Zubehörs der Tomburg, war die Bedeutung der Tomburg als regionaler Herrschaftsmittelpunkt verschwunden. Aber für die Klever Grafen als Nachfolger Rutgers war sie immer noch Grundlage genug für einen autarken Ausbau der Herrschaft Tomburg, offensichtlich frei von Einschränkungen durch den mächtigen Nachbarn in Köln, an den die Burg erst 1323 verkauft wurde.

Damit sind wir am Ende unserer historischen Ermittlungen angekommen. Trotz manchem fehlenden direken Beweis hat sich gezeigt, dass die Abläufe durchaus so gewesen sein können, wie zu Beginn geschildert. Auch die Ereignisse drum herum stützen manche als Vermutung daher kommende Schilderung; mindestens jedoch sprechen sie nicht dagegen.

 

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Literatur

LinkInt Gesamtverzeichnis

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References
1 Auf der Suche nach Vorfahren der Klever Grafen hat Otto Merckens 1943 eine Untersuchung vorgelegt, deren Ergebnisse noch heute in der Forschung zitiert werden. Zudem ist sie ein Beispiel für eine Methode zur Analyse ferner Zeiten.
2 Am 13.12.1096 verleiht Hermann III.  der Abtei Siegburg einige Güter; LinkExt »Thieodericus de Toneburc«, Theoderich und Dietrich werden gleich gesetzt. In: Lacomblet, Th. J.: Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins (…). Düsseldorf, 1840. S. 1 62, Nr. 252.
3 LAC II, Nr. 1011, zitiert in Merckens 1943, S. 177: »here van Hilkerode inde van Thoneburch«
4 LAC II, Nr. 1027, zitiert in Merckens 1943, S. 177: »comes in Hilkerode et dominus de Thoneburg«
5, 24 Müller 1970, S. 7, Anm. 15
6 Alle genannten Berufsbezeichnungen sind nicht mit heutigen Berufsbezeichnungen gleich zu setzen. Sie stammen aus Urkunden jener Zeit und sind in dem historischen Kontext zu sehen.
7 Aus dem Lateinischen: »Fuerunt in Flandriensi provintia duo nobiles, germani fratres, aput seculum preclari et potentes, quorum alter Gerardus et alter vocabatur Rutgerus, invicti videlicet patrie et reipuplice tutores. Unde gravissimis contra se exortis a principibus terre illius preliis contulerunt se obsequio Romani Imperatoris, qui locavit Gerardum aput Wasenberch et Rutgerum aput Clive traditis utrique tot et tantis terrarum beneficiis, ut et ipsi et eorum posteri ex rerum felicitate principes facti sint huius regionis.«
Scans und Transkription: LinkExt Regionaal Historisch Centrum Limburg (RHCL): 1187 »Annales Rodenses«, kroniek van de abdij Kloosterrade over de jaren 1104-1157; transkribiert 1968 von P. C. Boeren und G. W. A. Panhuysen.
Übersetzung: LinkExt Heidbüchel, Franz; Kramer, Hermann: Annales Rodenses. In: Heimatblätter des Kreises Aachen, Jg. 45, Heft 3/4. Aachen 1990.
8 Rolduc / Klosterrath liegt oberhalb des Wurmtales am Rand von Kerkrade in der Provinz Limburg, an der deutsch-niederländischen Grenze zwischen Kerkade und Herzogenrath. ›Rolduc‹ ist abgleitet aus frz. für Herzogenrath = ›Rode-le-Duc‹
9 LinkExt https://www.geschichtsquellen.de/werk/4797
10 Heidbüchel, F.; Kramer, H. 1990, S. 23.
11 Aus dem Lateinischen: »Sacerdos preterea et fratres eius natione erant cognati comitis Gerardi de Gelren et Goswini de Hemesberch et comitis Heinrici de Krikenbach et comitis Theodrici de Clyve, quos pariter et hos eodem tempore constat vita viguisse. Illi enim fuerant pronepotes duorum fratrum illorum Flandriensium unde narratio hec sumpsit exordium, ex quorum etiam progenie tres isti fratres edocti sunt processisse.«
Scans und Transkription: LinkExt Regionaal Historisch Centrum Limburg (RHCL): 1187 »Annales Rodenses«, kroniek van de abdij Kloosterrade over de jaren 1104-1157; transkribiert 1968 von P. C. Boeren und G. W. A. Panhuysen.
Übersetzung: LinkExt Heidbüchel, Franz; Kramer, Hermann: Annales Rodenses. In: Heimatblätter des Kreises Aachen, Jg. 45, Heft 3/4. Aachen 1990, S. 25.
12 »Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1104 (…) betrat diesen Platz der Priester Ailbertus und begann auf ihm als allererster zusammen mit den zwei vorerwähnten Brüdern zu leben und stürzte sich mit eigenen Händen in die Arbeit und das Werk, denn der Platz war unbebaut und niemals von einem Menschen bewohnt gewesen.« Heidbüchel, F., Kramer, H. 1990, S. 27
13 Oediger, F. W. 1953, S. 266
14 Thissen, Bert, Herzogtum Kleve, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: LinkExt http://rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/herzogtum-kleve/DE-2086/lido/57d118b2e01a18.97969392 (abgerufen am 10.06.2020)
15 Es ist die Phase einer Neuordnung ezzonischen Besitzes ab 1051 bis 1056 und die Endphase des Konfliktes mit Erzbischof Anno. Mehrere Ausstattungsstiftungen sollten diese dem Zugriff Annos entziehen, dem Hauskloster Brauweiler seine wirtschaftliche Existenz und Richeza lebenslangen Nießbrauch für Güter an der Mosel sichern.  LinkExtWisplinghoff, Erich: Rheinisches Urkundenbuch : ältere Urkunden bis 1100, Bd. 1. Aachen – Deutz. Bonn 1972, S. 135, Nr. 95
16 LinkExtWisplinghoff, Erich: Rheinisches Urkundenbuch : ältere Urkunden bis 1100, Bd. 1. Aachen – Deutz. Bonn 1972, S. 135, Nr. 95
17 Merckens 1943, S. 179
18 siehe auch: Müller 1970, S. 8f. und  Siebert-Gasper 2019, S. 60ff.
19 LinkExt »Herimannus archiepiscopus cum advocato suo Rutgero« in LAC I, S. 114, Nr. 184 und in LinkExtWisplinghoff 1972, S. 112, Nr. 90
20 Memorienbücher enthalten Tage im Jahreslauf mit Gedächtnisfeiern
21 Nach römischem Kalender der 2. Mai
22 LinkExtLAC ARCH II, S.  51
23 „Kollegiatstift Maria ad gradus”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. LinkExt https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-13589-20110718-16
25 LinkExt »Ruker advocatus noster« in LAC I, S. 126, Nr. 196
26 LinkExt LAC I, Nr. 189 ; mit vergleichender Quellenkritik: LinkExtWisplinghoff, Erich: Rheinisches Urkundenbuch : ältere Urkunden bis 1100, Bd. 1. Aachen – Deutz. Bonn 1972, S. 135, Nr. 95
27 Merckens 1943, S. 182
28 Beuckers 1989, S. 23, Anm. 151
29 LinkExt LAC ARCH II, S. 302 und  LinkExt RUB I, S. 95, Nr. 83, zitiert in: Siebert-Gasper 2019, S. 62
30 Vom 8.-14. Jh. (cerocensuales, cerearii, cereales) deckten Klöster und Kirchen ihren Bedarf an Bienenwachs für Kerzen nicht mehr aus eigener Imkerei oder aus freiwilligen Spenden der Gläubigen, sondern erhoben von unter ihren Schutz gestellten freien Personen einen Zins, zu Beginn in Form von Wachs  oder Kerzen, später auch als Geldbetrag. Für das 14. Jh. ist die Wachszinspflichtigkeit nicht mehr festzustellen. LinkExt Mittelalter-Lexikon Die Wachszinsigkeit war die mildeste Art der Hörigkeit. Vgl. LinkExt Wikipedia-Eintrag
31 LinkExt RUB I, S. 95, Nr. 83
32 Beuckers 1993, S. 23, Anm. 151
33 Zum Gang der Forschung: 1943 verweist Merckens noch auf das Altdeutsche Namenbuch, in dem Wazela als weibliche Verkleinerungsform von Ezzo-Ansfried vermutet (!) wird (S. 181). 1970 sieht Müller die Vermutung, Wazela sei eine Tochter Ezzos als »sicher nicht hinreichend begründet an« (S. 9) Beuckers ordnet sie 1993 Hezelin zu (S. 23, Anm. 151). 2019 deutet Siebert-Gasper die Analogie der Verkleinerungsform (S. 62).
34 LinkExt LAC I, Nr, 182
35 LinkExt LAC I, Nr. 242
36 Merckens 1943, S. 183
37, 38 Merckens 1943, S. 184
39 Müller hat 1970 in seiner Dissertation »Die Herrschaft Tomburg und ihre Herren bis zum Ausgang des Mittelalters« die entscheidenden Hinweise geliefert.
40 Müller 1970, S. 5f.; LinkExt Striewski, Jennifer, Wikinger am Mittelrhein, in: LVR, Internetportal Rheinische Geschichte
41 LinkExt LAC I, Nr. 187
42 Müller 1970, S. 11
43 LinkExt LAC III, Nr. 27
44 Müller 1970, S. 24. Anm.76 mit weiteren Quellen.
45 Müller 1970, S. 13 und LinkExt LAC I, Nr. 187
46 Ein Kopialbuch enthält die Texte von Urkunden. Es wurde vom Empfänger der Urkunden angefertigt, um einer Beschädigung der wertvollen Originale vorzubeugen.
47 LinkExt Bock, Martin: Johann und Aegidius Gelenius. In: Internetportal Rheinische Geschichte.
48 Müller 1970, S. 13
49 LinkExt LAC I, Nr. 372
50 Müller 1970, S. 14
51, 52 Müller 1970, S. 15
53 Beuckers, S. 192; REK, Nr. 1054
54 LinkExt Striewski, Jennifer: Agilolf. In: LVR, Internetportal Rheinische Geschichte.
55, 56, 57 Beuckers 1993, S. 194
58 In dieser Zeit ist die Größe eines ›Morgen‹ in Deutschland sehr unterschiedlich. Geht man von einem ›Rheinischen Morgen‹ aus, betrug die Fläche 2.000 x 3.176 m² = 6,3 km² LinkExt deAcademic.com
59 Müller 1970, S. 279f.
60 Müller 1970, S. 283